Die Hypochondrie (im ICD-10 "Hypochondrische Störung" genannt) besteht eigentlich aus zwei Störungen: Der Angst vor Krankheit (Angstkomponente) und unerklärlichen körperlichen Symptomen (somatoforme Komponente). Kennzeichnend für die Hypochondrie ist die Angst davor, an einer bestimmten Erkrankung zu leiden. Der/die Patient/in ist je nach Schweregrad der Erkrankung mehr oder weniger durch einen Arzt oder eine Ärztin überzeugbar, dass er/sie diese Erkrankung nicht hat. Auch Zwangssymptome können auftauchen und zwar vor allem dann, wenn die Angst vor Erkrankung im Mittelpunkt steht. Kleinste Veränderungen des Körpers (Veränderung des Pulses, Husten, blaue Flecken an den Beinen, ein paar ausgefallene Haare) führen zu extremer Panik. Auftreten kann auch ein sogenannter "Hypochondrischer Wahn". Darunter versteht man die feste Überzeugung, unheilbar krank zu sein oder bald sterben zu müssen. Dieser Wahn ist entweder auf eine spezifische Erkrankung bezogen (wie z.B. Krebs oder ALS) oder eher diffus.
Die Hypochondrische Störung ist in Subgruppen unterteilt, die sich auf verschiedene Kontexte beziehen. Bei der Bromosis zum Beispiel hat der/die Betroffene eine extreme Angst davor, unangenehm zu riechen. Bei der Dysmorphophobie ist der/die Betroffene überzeugt davon, missgebildet oder entstellt zu sein. Nosophobiker haben gar keine Angst vor einer bestimmten Erkrankung, sondern allgemein vor dem Erkranken selbst. Sie leben meistens sehr gesund, treiben viel Sport, waschen sich oft die Hände und achten insgesamt sehr auf ihren Körper.
Aber woher kommt diese Erkrankung? Menschen mit Hypochondrie sind meistens sehr sensibel für ihren eigenen Körper. Veränderungen werden stärker oder überhaupt erst wahrgenommen. Außerdem neigen Betroffene eben dazu, diese Veränderungen fehlzuinterpretieren und als Krankheitszeichen zu sehen. Die Angst vor körperlichen Sensationen führt oft eben zu genau diesen - wer Angst vor einer Herzerkrankung hat, hat öfter einen erhöhten Puls. Oft haben Menschen mit Hypochondrie allgemein Angst vor Kontrollverlust. Sie fürchten sich davor, dass ihnen irgendetwas passiert, das sie nicht beeinflussen können und dem sie ausgesetzt sind. Tiefenpsychologisch kann man diese Angst durch frühere schlechte Erfahrungen erklären (wie einen Unfall oder eine schwere Erkrankung in der Vergangenheit).
In der Gesellschaft gelten Hypochonder als Simulanten und Personen, die sich gerne in den Mittelpunkt stellen und heillos übertreiben. Das ist gefährlich, denn Menschen mit Hypochondrie sind krank - nur nicht so, wie sie denken. Der Leidensdruck ist bei Hypochondrie extrem hoch, tägliche panische Angst vor dem Sterben ist sehr anstrengend und nimmt irgendwann das ganze Leben in Beschlag.
Zum Glück ist die Hypochondrie gut behandelbar. Besonders bewährt hat sich auch hier anscheinend die Kognitive Verhaltenstherapie. Der/die Betroffene lernt mit der Erkrankung umzugehen und sie zu durchschauen. Langsam werden hypochondrische Verhaltensweisen abgebaut - Nosophobiker treiben weniger Sport oder essen auch mal ungesundes Zeug, Menschen mit Bromosis dürfen sich drei Tage lang nicht duschen und so weiter. Auch die starke Beschäftigung mit dem eigenen Körper und seinen Veränderungen wird langsam reduziert. Hier helfen vor allem Ablenkungshandlungen oder Entspannungsübungen. Auch achtsames Betrachten der Sensationen ohne Bewertung kann hilfreich sein. Und sicher ist es natürlich hilfreich zu schauen, woher die Erkrankung überhaupt kommt (z. B. Angst vor Kontrollverlust).
Auch Angehörige können helfen. Zunächst einmal sind "hilfreiche" Sprüche à la "Zu wie vielen Ärzten soll ich dich denn noch kutschieren?" oder "Du übertreibst einfach maßlos!" zu lassen. Angehörige meinen die zwar nicht böse, helfen tun sie aber auch nicht. Denn: Für den/die Betroffene/n ist das Symptom da, der Puls ist ja zu hoch, der blaue Fleck am Bein existiert. Betroffene müssen ernstgenommen werden. Das bedeutet zwar nicht unbedingt, sie jeden Tag zu einem anderen Arzt zu fahren, es sollte aber im Hinterkopf behalten werden, dass Menschen mit Hypochondrie meistens sehr lange brauchen, um zu merken, dass ihre Symptome nicht körperlicher, sondern psychischer Natur sind. Eine wertschätzende Erinnerung an körperliche Untersuchungen ("Hier: Dein Blutbild ist vollkommen in Ordnung. Eine Faktor V-Mutation wurde eindeutig ausgeschlossen.") kann hilfreich sein.
Hypochondrie ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Schimpfwort und das ist wenig vorteilhaft für die Betroffenen. Hypochondrie ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die gut behandelt werden kann. Dafür brauchen die Betroffenen aber viel Respekt, um ihre Erkrankung selbst erkennen und annehmen zu können.