Wenn man unter psychischen Problemen leidet, kann die ganze Welt von heute auf morgen richtig beschissen sein. Wenn man mit seinem eigenen Körper und den eigenen Gedanken nichts mehr anfangen kann, erscheint das Leben schnell grau und unwirklich bzw. schlicht überflüssig. Dann, aber auch in Momenten, in denen die Beschwerden einen relativ in Ruhe lassen, braucht man Dinge, die einem guttun. Ob das jetzt eine Tasse des Lieblingstees ist oder eine innige Umarmung, ist herzlich egal. Mein Blog hat sich bis jetzt darauf konzentriert, was eigentlich alles schief läuft und wie ich mir wünsche, dass Menschen mir begegnen. Was aber tut mir gut?
Eine der Sachen, die ich schlicht in meinem Leben brauche, ist ein ganz gewisser Freizeitpark. Ich will hier keine Schleichwerbung machen und werde auch von den Verantwortlichen nicht bezahlt (wobei ich für Freikarten immer offen bin 😉). In den Europa-Park fahre ich seit ich fünf Jahre alt war. Jedes Jahr, seit 2008 auch mehrmals im Jahr. Seit 2011 bin ich stolze Besitzerin einer Jahreskarte. Dem ein oder anderen aufmerksamen Leser mag aufgefallen sein, dass das genau in der schwersten Krise meines Lebens war – und dieser Zeitpunkt wurde bewusst gewählt.
2011 ging es mir wirklich extrem schlecht. Von der eigenen Familie zunehmend entfremdet, weil sie mit der Situation schwer umgehen konnten und von den eigenen Gedanken (vom Körper gar nicht gesprochen) vollkommen überfordert, bin ich erstmal in den Europa-Park gefahren. Wieso? Ganz einfach.
Wenn mein Kopf mir einreden will, dass die Welt nichts für mich bereit hält und doch eh alles umsonst und grau ist, umgebe ich mich mit Glück und Freude. Wo könnte man das besser als in einem Freizeitpark? Ganz ehrlich, das klingt jetzt etwas verrückt (wobei ich das ja mit einer psychischen Störung gerne sein darf), funktioniert aber erstaunlich gut. Wenn im eigenen Herzen keine Freude mehr wohnt, hole ich sie mir eben von außen. Dafür müssen die äußeren Faktoren allerdings enorm stark sein, um überhaupt zu mir durchdringen zu können. Im Europa-Park ist genug Energie.
Außerdem erinnern mich die hundert Hektar voller Achterbahnen und Märchenwald an eine glücklichere Zeit. Sie erinnern mich an mein früheres Ich, wie ich war und wie ich wieder sein will. An unzählige Stunden Achterbahnfahren und stummes Bewundern der Eistänzer. Der Park erinnert mich an Unbeschwertheit, einfach Machen und frieren in den frühen Morgenstunden, weil man keine Sekunde verpassen will. Das unendliche Gefühl von Stolz, wenn man zum ersten Mal die „harten“ Bahnen bezwungen hat. Das Lächeln meiner Schwester. Das heimliche Wein im Bett Trinken meiner Eltern, wenn sie dachten, dass die kleinen Mädchen schon eingeschlafen sind.
Manchmal sitze ich einfach auf einer Bank, jongliere ein bisschen und beobachte die Menschen, wie sie unbedingt nochmal die oder jede Bahn fahren wollen vor Parkschluss. Ich sauge das auf, weil die äußere Freude mich daran erinnert, dass in mir auch noch ein bisschen davon wohnt.
Und im Park kann ich noch etwas: Ich kann mutig sein. Ganz ehrlich, in der schlimmsten Zeit meiner Angststörung bin ich keine Achterbahn gefahren. Das wieder zu können war mein Ziel. 2012, als die Genesung ziemlich fortgeschritten war, hat eine neue Bahn eröffnet. Das war mein Therapieziel. Klingt bescheuert, ist aber so. Das erste Mal auf der Bahn werde ich nie wieder vergessen, weil ich mich etwas getraut habe, was ich vorher nicht geschafft habe. Das ist enorm viel Wert, gerade dann, wenn man psychische Probleme hat.
Freizeitparks sind mehr als Spaß und Adrenalin. Sie sind Seelenheiler. Sie sind Mutmacher in den schwersten Zeiten. Ich bin mir sicher, viele Leute können davon ein Liedchen singen. Den Job verloren? Fahr in einen Freizeitpark. Schluss gemacht? Freizeitpark. Leichte depressive Phase? Jap, Freizeitpark. Eigentlich sollte die Krankenkasse den Eintritt erstatten.