Ich bin ja so OCD!

Ich weiß wirklich nicht, wann die Leute angefangen haben, psychische Störungen in ihren alltäglichen Sprachgebrauch aufzunehmen. Beinahe täglich höre ich inzwischen Aussagen wie „Das hat mich so traumatisiert.“ oder „Ich war danach richtig depressiv.“ Am witzigsten aber finde ich den Satz: „Gott, ich bin ja so OCD!“ Wieso? Ganz einfach.

Erstens: Du bist nicht OCD, wenn dann hast du OCD (Obsessive-Compulsive Disorder, im Deutschen auch Zwangsstörung genannt). Und zweitens: Nur, weil du ein Muster in Steinfliesen erkennen kannst, beziehungsweise Unregelmäßigkeiten darin, hast du nicht gleich eine OCD, sondern Augen. Herzlichen Glückwunsch.

Man könnte jetzt sagen, lass‘ die Leute doch reden, was und wie sie wollen, und normalerweise stimme ich dem gerne zu. Aber langsam reicht es. Du hast keine Sozialphobie, wenn du bei Vorträgen nervös bist. Du hast keine Depression, wenn du über den Tod deiner Katze traurig bist. Und du bist nicht gleich traumatisiert, wenn du mal schief angemacht wirst. Das sind normale Reaktionen. Das ist normal!

Es gibt doch ein ganz einfaches Prinzip: Wenn alle gestört sind, ist keiner gestört. Aber wenn alle nur so tun, als wären sie gestört, hört keiner mehr auf die wirklich Gestörten. Und hier fängt das Problem an. Denn wenn alle „Depressionen“ haben, dann fällt der mit echten Depressionen negativ auf. Denn Depressionen sind nicht romantisch. Sie sind nicht schön. Sie sind dreckig, so dreckig, wie wochenlang ungewaschene und ungekämmte Haare. Denn die hat man oft genug, wenn man Depressionen hat. Oder man hat andere Symptome. Die sind ja bekanntlich nie gleich. Es gibt so viele Depressionen, wie es Depressive gibt. Aber nicht jede Traurigkeit ist eine Depression.

Ich will niemandem die eigenen Dämonen absprechen, denn ich kenne sie nicht. Aber wenn gleich alle Kinder angeblich ADHS haben, dann heißt es halt auch schnell „Du musst deinem Kind keine Tabletten geben, meins hat auch ADHS und das habe ich ganz toll auch so mit Entspannungsübungen wegbekommen.“ Klingt eigentlich ganz gut, wenn das eigene Kind auch wirklich ADHS hat. Wenn nicht, sind eure Tipps einfach nervig und definitiv nicht hilfreich.

Wenn ich sage, ich habe eine Angststörung, dann stellt ihr euch eure Angst vor. Eure Angst vor Prüfungen oder davor, eine Präsentation vor zwanzig Leuten zu halten. Das ist aber keine Angststörung, das ist Angst. Das ist, wie gesagt, normal. Zeige ich dann typische Symptome einer Angststörung, dann heißt es, ich übertreibe nur. Wieso? Weil ihr es euch einfach nicht vorstellen könnt, wie sich eine echte Störung anfühlt. Weil ihr nur eure romantischen Ausreden kennt, wenn ihr euch mal wieder nicht traut, eine Spinne mit einem Glas einzufangen.

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