Wenn der Therapeut schadet

Das Leben eines psychisch Beeinträchtigten ist häufig geprägt von einem dauernden Wechsel der Therapeuten. Man wechselt den Wohnort, geht in eine Klinik, kommt zurück, geht in eine andere Klinik, kommt zurück, der Behandelnde geht in den Ruhestand, Mutterschutz, Sabbat-Jahr. Gründe für einen Wechsel gibt es viele. Manche der Therapeuten konnten (oder können) helfen, andere nicht. Ab und an kommt man dann auch mal an einen Seelenklempner, der das verstopfte Rohr nicht frei macht, sondern noch mehr Scheiße obendrauf packt. Dann sollte man reagieren.

Mir ist das zweimal passiert. Bei beiden handelte es sich um mittelalte, blonde Frauen, die mir eine Essstörung andichten wollten (keine Vorurteile gegen mittelalte, blonde Therapeutinnen, die Stichprobe war definitiv einfach zu klein, um Schlussfolgerungen zu ziehen). Ich gebe zu, ich bin schlank und als ich der Ersten von den beiden begegnet bin, war ich noch schlanker. Das bedeutet allerdings nicht gleich, dass ich Probleme mit dem Essen habe. Trotzdem waren die beiden fest davon überzeugt – und hier setze ich an.

Therapeuten sind meistens sehr kompetent, das ist absolut keine Frage. Sie wissen aber auch von dieser Kompetenz. Sie wissen, dass sie studiert und eine jahrelange Ausbildung gemacht haben, sie kennen ihre unzähligen behandelten Fälle, sie haben Erfahrung. Nur leider überschätzen sich einige. Für den Patienten ist das nicht gut, denn häufig werden wiederum die Erfahrungen des Betroffenen heruntergeschraubt und abgewertet. „Sie haben doch gar keine Ahnung, sonst wüssten Sie ja, was zu tun ist“, habe ich mir mal anhören dürfen. Fun Fact nebenbei: Ich weiß, was ich tun muss. Ich traue mich nur nicht. Das nennt man Angststörung.

Klar, es gibt Menschen, die ihre inneren Dämonen verdrängen und sich nicht mit ihnen auseinandersetzen wollen. Die alles dementieren, was ihnen präsentiert wird, um sich selbst kein Problem eingestehen zu müssen. Das tun aber bei weitem nicht alle. Ich zum Beispiel nenne gerne meine Krisen beim Namen. Sonst würde ich wohl auch nicht diesen Blog hier betreiben. Therapeuten reden häufig übertriebenen Klartext, so, als hätte noch nie jemand (oder wir selbst nie) die Probleme beim Namen genannt. Ich komme mir dann immer vor wie ein kleines Kind, dem der Erzieher erklärt, dass es keine Knete essen darf.

Die besten Therapeuten sind die, die dich einfach unterstützen. Die ihre Gespräche beginnen mit „Wie geht es Ihnen?“ und „Was kann ich für Sie tun?“ Danke. Danke Welt für diese Therapeuten! Ein guter Therapeut steht hinter dir, um dir gegebenenfalls in den Arsch zu treten. „Wir haben das abgemacht, Sie haben sich nicht dran gehalten. Das ist schade. Was hat Sie aufgehalten?“ Ehrlichkeit. Unterstützung. Zwei offene Ohren. Jemand auf deiner Seite, wenn du das Gefühl hast, keinen mehr zu haben. „Das muss wirklich schlimm für Sie gewesen sein. Es ist beeindruckend, wie Sie damit umgehen konnten.“ Diese Beispielsätze können gerne verwendet werden.

Dann gibt es aber auch die, die dich überfordern. Die gleich in der ersten Sitzung mit Konfrontationsübungen anfangen. Bei denen man auf einer Skala von 1 bis 10 bei 100 ansetzt und die sich dann darüber monieren, wenn du Panik bekommst oder blockierst. „Sie versuchen es ja gar nicht.“ oder „Stellen Sie sich halt nicht so an, Herrgott nochmal.“ Auch das durfte ich hören. Was habe ich gemacht? Ich bin gegangen. Ich habe den Raum verlassen und habe mich nicht einmal umgedreht. Weil mich das nicht weiterbringt und ich kein kleines Kind bin, dem man erklären muss, dass es Knete nicht essen darf. Ich bin eine mündige, starke, erwachsene Frau. Behandelt mich auch so.

War es einfach zu gehen? Nein. Es war schwer. Wieso? Ich habe mir selbst eingeredet, dass ich nicht stark genug bin. Die Therapeutin hat es mir so erzählt. Was der Therapeut sagt, ist richtig. Meine eigenen Gedanken sind falsch, weil ich bin ja diejenige mit den psychischen Problemen. Nein! Niemals so denken! Ja, am Anfang der Therapie geht es einem häufig erstmal schlechter. Wenn du aber eine harte Abneigung dagegen hast, zum Therapeuten zu gehen, dann besprich das mit ihm. Klärt das Problem. Häufig wissen die Behandelnden nämlich gar nichts davon, wenn sie unbedacht Fehler machen oder dumme Sprüche klopfen. Das sind Menschen. Das ist okay. Aber totschweigen ist auch nicht gut. Wenn der Therapeut das Gespräch blockt mit Sätzen wie „Ach, jetzt übertreiben Sie doch nicht“, dann geh. Flieh, du Narr! Das hast du gar nicht nötig.

Das Problem ist auch ein bisschen, dass viele Patienten gar nichts von ihren Rechten wissen. Ja, ehrlich, du hast Rechte. Das Recht auf Aufklärung zum Beispiel. Aufklärung über alle geplanten Interventionen und sogar über die Diagnostikmethoden. Aufklärung über mögliche Alternativen, Risiken, Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Und dann hast du das Recht einzuwilligen, oder die Einwilligung zu verweigern. Das ist beim Therapeuten nicht anders als bei jedem Arzt. Du musst die Tabletten nicht schlucken. Du musst keine Konfrontationstherapie machen. Würde möglicherweise helfen. Entscheiden tust du es am Ende. Wenn der Therapeut dich nicht aufklärt und deine Einwilligung einholt und du einen Schaden davonträgst (wie Schlafstörungen, Panikattacken, etc.), dann ist das der Tatbestand einer Körperverletzung.

Solche Sachen darf man nicht ausschweigen. Wenn ein Therapeut sich schlecht verhält, hast du Möglichkeiten, darauf zu reagieren (und hier meine ich keine schlechten Bewertungen bei Jameda). Wenn du wirklich und ganz ehrlich massiv unter dem Therapeuten leidest und es dir immer schlechter geht, kannst du zum Beispiel bei der zuständigen Psychotherapeutenkammer eine Beschwerde einreichen. Wenn du massiv geschädigt wurdest, kannst du den Therapeuten sogar anzeigen. Das steht dir zu. Klar solltest du das nicht bei jeder Kleinigkeit tun. Aber du solltest die Dinge auch hier beim Namen nennen und klar zu dir selbst stehen.

Also: Nicht alle Therapeuten sind per se gut für dich. Manche sind Idioten, die keine Ahnung von psychischen Problemen haben (egal, wie lange sie studiert haben). Achte auf dein Bauchgefühl. Wenn es dir nicht gut geht, reflektiere die Gespräche. Was hat der Therapeut gesagt oder getan, was dich verletzt oder beunruhigt hat? Sprich mit ihm. Er ist ein Mensch, er kann das ab. Wenn er es nicht kann, verschwinde. Wenn der Therapeut gegen deine Rechte verstößt, melde dich bei den zuständigen Behörden. Eine Beschwerde bei der Psychotherapeutenkammer kostet nur Brief und Umschlag. Der Therapeut ist nicht dein Erzieher, er ist dein Therapeut. Er hat nicht die Position inne, dich von oben herab zu behandeln, sondern auf Augenhöhe. Und ein ganz großer Dank geht raus an alle Seelenklempner, die wirklich helfen können und das Rohr wieder frei bekommen. Ihr seid klasse!

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