Einmal vorweg, bevor ich hier überhaupt irgendwas über Suizid schreibe: Wenn du mit dem Gedanken spielst, dich selbst zu töten, oder andere tiefgreifende Probleme hast, ruf bitte bei der Telefonseelsorge an: 0800 - 111 0 111. Eine super Hilfeplattform für jegliche Probleme gibt’s unter: www.nummergegenkummer.de – die haben auch eine Online-Beratung für alle, die nicht gerne telefonieren 😉 Und denk dran: Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich Hilfe holt, sondern von Stärke. Denn du bist mutig genug, über dich zu sprechen und zu dir selbst zu stehen. Allein darauf kannst du schon ziemlich stolz sein!
Wenn sich jemand selbst tötet, werden irgendwie plötzlich sehr viele Menschen zu Hobby-Psychologen (oder sie lassen es mehr raushängen). Gerade, wenn das Opfer berühmt war, kriechen die Journalisten und Möchtegern-Journalisten aus ihren Höhlen. Wer schreibt eigentlich diese Nachrufe?
Sind es Betroffene, also selbst suizidale Personen? Selten. Sind es Freunde oder Verwandte von Opfern? Selten. Sind es Leute, die eigentlich keine Ahnung haben, selbst nie betroffen waren und trotzdem gerne mal was zu dem Thema sagen wollten? Jap.
Es regt mich maßlos auf. Ich weiß, dass es mir eigentlich egal sein sollte, gerade, weil ich selbst nie akut suizidal war. Ich habe nie einen Freund oder das eigene Kind im Kleiderschrank erhängt oder in der Badewanne verblutet gesehen. Ich kann diesen Schmerz nicht nachvollziehen. Und ich weiß nicht, wie es ist, wenn die Welt so grau erscheint, dass der einzige Ausweg der Tod zu sein scheint. Ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen. Es ist ein Schmerz, ein tiefer Schmerz, den man als Außenstehender nicht begreifen kann.
Aber warum lässt man dann nicht Betroffene und Opfer zu Wort kommen? Wieso muss ich unter den Artikeln Kommentare lesen wie „So ein verf*cktes Arschloch, lässt seine Kinder alleine“ oder „Der Kerl soll sich schämen, so ein Weichei“? Wieso werden diese Kommentare nicht instant gelöscht? Das ist keine freie Meinungsäußerung, das ist diffamierend, beleidigend und einfach total Banane. Wenn du solche Dinge schreibst, bist du der Einzige, der sich schämen sollte.
Natürlich ist es schwer, die Entscheidung für Selbsttötung zu begreifen. Aber wenn wir etwas nicht begreifen können, sollten wir es dann nicht einfach respektieren? Was sagen denn solche Kommentare den Menschen, die auch gerade kurz vor der Schwelle stehen? Dass sie schwach sind? Dass sie feige sind? Dass sie nur Schmerz verteilen?
„Er hätte für seine Kinder weiterleben sollen.“ Klar. Klingt gut. Die Kinder müssen jetzt ohne Vater aufwachsen. Was in seinem Kopf vorgegangen ist, kann allerdings niemand verstehen. Was er gedacht hat, kann keiner wissen. Und welchen Schmerz er erlitten hat, kann man nicht begreifen. Deswegen sage ich zu diesem Kommentar nichts anderes als: Manchmal hat man das Gefühl, die Welt wäre ohne einen besser dran. Als wären alle Probleme der Liebsten gelöst, würde man nur sterben. Das stimmt nicht. Aber man denkt es eben manchmal.
Das Einzige, was ich aus den Artikeln und den dazugehörigen Kommentaren über Suizid lerne sind zwei Dinge: Wenn du es tust, werden dich viele vermissen. Und andere werden dich als schwach und feige bezeichnen. Wie man der Person allerdings hätte helfen können, steht meistens nur als kleiner Satz am Rande: Wenn du selbst betroffen bist, hol‘ dir Hilfe. Ruf‘ die und die Hotline an. Wende dich an Menschen, die dir nahe stehen. Absolut. Das solltest du tun. Rede über deinen Schmerz. Es gibt Personen, die dir helfen können. Immer. Überall. Es geht immer weiter. Es gibt immer einen Weg.
Aber wieso stehen diese Hinweise immer am Ende der Artikel, wenn man sich erstmal durch all den Schmerz wühlen musste? Wenn man selbst suizidal ist und solche Nachrufe liest, bricht man dann nicht vielleicht vor Beendigung der Seite ab? Dann geht der Hinweis voll ins Leere.
Und was mich noch viel wütender macht: Ich lese und lese und lese und finde nicht eine Aussage eines Betroffenen. Oder eines ehemaligen Suizidalen, der seine dunkle Zeit überlebt hat. Der ein bisschen Hoffnung verbreiten kann. Ich lese und lese die Artikel und in meinem Kopf schreit es immer lauter: „Du hast doch keine Ahnung!“
Wieso also kommen so wenige Betroffene zum Zug? Weil sie sich nicht trauen, über sich selbst und ihre tiefsten Abgründe zu schreiben? Weil sie niemand gefragt hat? Vielleicht. Vielleicht ist es auch einfach leichter, Fragen zu stellen, als sie zu beantworten. Denn wenn man Antworten hat, muss man handeln. Man muss Hilfsplattformen etablieren und mit Stigmatisierungen aufhören. Das ist schwer und mühsam, aber doch eigentlich der einzige Weg, oder? Was sollten wir daraus lernen, wenn sich jemand selbst aus dem Leben verabschiedet? Wie hätte man ihm helfen können? Hätte man das überhaupt?
Nachrufe sind eine wichtige Möglichkeit, sich von Verstorbenen zu verabschieden. Gerade, wenn die verschiedene Person einen wichtigen Einfluss auf tausende von Menschen hatte. Was aber kommt nach den Nachrufen? Wird Betroffenen mehr geholfen? Oder wird wieder nur geredet, aber nichts getan? Wird Opfern mehr zugehört, bekommen sie eine lautere Stimme? Oder verschwinden sie einfach wieder in der Vergessenheit?
Wenn du also diesen Artikel hier liest und selbst darüber nachdenkst, dein Leben zu beenden, möchte ich dir noch etwas sagen. Tu es nicht. Kämpfe weiter. Du bist so weit gekommen. Ich werde dir nicht sagen, dass am Ende des Tunnels ein Licht scheint und dass sich dieses in den Scherben spiegelt. Aber es gibt Lösungen. Es gibt Hilfe. Sprich über dich, damit die Welt endlich versteht, dass du da bist. Du bist jemand mit unendlich vielen Fähigkeiten und die Welt braucht dich. Wenn du es aber doch tun solltest, werde ich nicht über dich urteilen. Es ist deine Entscheidung. Ich maße mir nicht an, dir zu sagen, was du tun sollst und was nicht. Wenn du es tust, wäre ich unendlich traurig. Auch wenn ich dich nicht kenne. Du bist wichtig.
Wenn du also Hilfe brauchst, probier’s bitte bei der Telefonseelsorge: 0800 - 111 0 111. Eine super Hilfeplattform für jegliche Probleme gibt’s unter: www.nummergegenkummer.de – die haben auch eine Online-Beratung für alle, die nicht gerne telefonieren 😉 Und denk dran: Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich Hilfe holt, sondern von Stärke. Denn du bist mutig genug, über dich zu sprechen und zu dir selbst zu stehen. Allein darauf kannst du schon ziemlich stolz sein!