Ich bin psychisch krank

Ich bin psychisch krank. Na und? Andere Menschen haben Diabetes, Asthma oder Krebs. Wäre das besser? Ich glaube nicht. Das Leben ist so. Es ist nicht nur schön und einfach und voller rosaroter Einhornponnys. Die psychische Krankheit gehört zu mir wie meine Arme und Beine, wie mein Gehirn, wie meine Kreativität und mein Mut. Sie ist ein Teil von mir. Sie ist zwar nicht der beste Teil, aber ich habe sie. Ich würde nicht sagen, dass ich sie gern habe, aber sie ist hier und das ist in Ordnung so. Ich wäre ein anderer Mensch ohne sie und das wäre ich nicht gerne.

Die Angst und die Depression haben mir die Augen geöffnet für die Schönheit der Welt. Ich sehe sie klarer als die meisten Menschen, da bin ich mir sehr sicher. Ich weiß die wundervollen Tage zu schätzen, mehr noch, ich weiß ihre Momente schätzen, denn ich weiß, wie schnell ich wieder in ein Loch fallen kann. Ich bin stolz darauf. Ich bin unendlich stolz darauf, ich bin stolz auf mich, denn ich bin stark. Ich bin viel stärker als die Menschen, die alles im Leben geschenkt bekommen haben und die nie dafür kämpfen mussten, irgendwann im Laufe des Tages aufzustehen und sich eine Hose anzuziehen. Ich bin unendlich stolz auf mich und ich bin stolz darauf, dass ich das endlich sehen kann. Ich bin ein großartiger Mensch, das weiß ich. Ich bin stark durch meine Schwäche und noch viel stärker, weil ich sie kenne und akzeptiere.

Oft genug wünsche ich sie mir weg. Manchmal sitze ich weinend und schreiend am Boden und wünsche sie zum Teufel. Aber sie wird nicht verschwinden. Die Angst, die Depressionen, die Traurigkeit, die Schmerzen, die Lähmung, die Selbstvorwürfe, die Zerstörung, all das werde ich niemals loswerden. Darum geht es auch nicht. Es geht darum, sie zu akzeptieren. Du willst ein besseres Leben? Tja, Pech gehabt. So läuft das nicht. Und wer sagt eigentlich, dass es besser wäre, hättest du nur keine Probleme mehr? Es wäre wohl eher langweilig. Ich sitze mit meiner Angst und der Depression auf dem Sofa, schaue mir einen guten Film an und wir essen zusammen Popcorn. Sie ist wie ein nerviger Mitbewohner, der mich allerdings auch zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Ich hasse sie nicht. Was würde es auch nützen?

Ich weiß, wie es ist, nichts mehr im Leben zu haben oder eher, wie es ist, das Gefühl zu haben, mir ist nichts mehr geblieben. Das sind die schweren Tage. Die Tage, in denen ich es kaum schaffe, aus dem Bett aufzustehen. Die Tage, an denen ich vor meiner Wohnungstür sitze und einfach nicht hindurch gehen kann und mich selbst dafür über alles hasse. Die Tage, in denen ich weine oder noch schlimmer, gar nicht mehr weinen kann. Die Tage, in denen alles schwarz ist und die Welt grausam und meine Angst oder Depression mich verschlingt. Aber das sind schwere Tage. Es sind schlechte Tage, kein schlechtes Leben. Sie gehen weg, auch wenn sie oft genug länger bleiben, als ich es gerne hätte. Und weißt du was? Jeder einzelne dieser Tage macht mich nur stärker. Jeden harten Tag, den ich überlebe, lerne ich dazu. Und es ist absolut okay, diese Tage zu haben.

Deswegen wünsche ich dir keinen schönen Tag. Ich wünsche dir einen Tag. Einfach nur einen Tag. Wenn du eine schwere Zeit hast, geht es nicht darum, dass er so schön wie möglich ist. Es geht ums Überleben. Nicht mehr. Nicht weniger. Deswegen wünsche ich dir einfach, dass du es schaffst, aufzustehen. Iss etwas Gutes, leg‘ dich auf die Couch und schaue eine Folge deiner Lieblingsserie. Trink‘ viel, das ist unglaublich wichtig! Tu‘ alles, was dir guttut, egal, was andere davon halten. Weißt du, was ich tue, wenn ich einen richtig beschissenen Tag habe? Ich setzte mich mit meinem Lieblings-T-Shirt auf mein Sofa, in der einen Hand mein Modell eines T-65 X-Wing-Fighters, in der anderen mein Lieblingsplüschtier. Vor mir meine Lieblingsserie. Wenn die Tage mal länger dauern, dann auch ganze Staffeln. Es ist okay. Ich wünsche dir keinen schönen Tag. Ich wünsche dir einen Tag. Weil ich weiß, wie schwer es sein kann. Versuche einfach, es zu überleben. Es wird besser. Das wird es immer.

An diesen Tagen denkst du, du würdest es nicht schaffen. Du denkst, du bist schwach. Aber das bist du nicht. Du bist stark und darauf bin ich unglaublich stolz. Ich weiß, wie stark du bist. Du bist viel stärker als all die Leute, die alles geschenkt bekommen haben. Du bist viel stärker, als all die, die nicht wissen, wie es ist, eine schwere chronische Krankheit zu haben. Du bist stark, weil du weißt, dass du schwach sein kannst.

Einem Diabeteskranken sagt niemand, er solle sich einfach mal zusammenreißen, so schlimm ist das Leben doch nicht. Ich kann gar nicht sagen, wie oft man mir erzählt hat, ich brauche doch keine Angst zu haben. Wow, danke, das hat mich geheilt! Aber hier geht es nicht um andere Menschen. Hier geht es um dich. Hier geht es um mich. Niemand anderes hat das Recht, hier mitzusprechen. Damit kannst nur du alleine umgehen. Niemand kann dir sagen, wie lange die schweren Tage andauern. Niemand kann dir vorschreiben, wann es wieder besser wird. Nimm dir Zeit. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Hol dir Hilfe, wenn du sie brauchst, denn du hast sie verdient. Du hast es verdient, dass man dir hilft. Sprich mit jemandem darüber, er wird es verstehen. Erkläre es ihm. Aber lass dir nicht vorschreiben, wie du mit deinem Leben umgehst. Ich weiß, du wirst es großartig meistern. Bis dahin, hab einfach einen Tag.

Ich bin psychisch krank. Das bin ich. Es gehört zu mir. Ich bin stolz darauf. Und du kannst es auch sein. Iss mit deinen Dämonen Popcorn, denn wenn du es nicht tust, gehen sie auch nicht weg.

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