Stärke durch Schwäche

Klar, kaum jemand mit psychischen Problemen würde spontan von sich selbst behaupten, er sei sehr stark. Das mag möglicherweise auch daran liegen, dass die Umwelt einem häufig einredet, wie schwach man doch sei. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es schwer fällt, sich stark zu fühlen, wenn man zwei Wochen ungeduscht in seinem Bett liegt und nicht einmal den Weg zum Kühlschrank schafft. Warum aber habe ich das Gefühl, dass ich nicht nur trotz, sondern eben wegen meiner Depression und Angststörung stark bin? Das hat zwei Gründe.

Nummer Eins: Ich habe überlebt. Ich habe mich immer wieder aus meiner selbstfabrizierten Hölle gezogen. Manchmal mit, ganz oft aber eben auch ohne Hilfe. Ich habe enorm viel über mich selbst und meine Störungen gelernt. Ich bin sozusagen ein Meister meines Fachs geworden. Manche kennen sich mit Astrophysik oder Aktien aus, ich bin Fachfrau für Dämonen. Ich weiß, was ich brauche und ich habe kein Problem damit, es mir auch zuzugestehen. Ich weiß, was ich kann und was ich wann nicht kann. Ich weiß, dass ich ab und an Hilfe brauche und ich scheue mich nicht davor, sie mir zu nehmen (oder lieb darum zu bitten). Und am wichtigsten: Ich schäme mich für nichts.

Damit kommen wir zu Nummer Zwei: Man kann mich mit meinen Schwächen nicht mehr verletzen. Du machst einen dummen Spruch über Depressionen? Müdes Schulterzucken. Du sagst, ich bin undankbar, weil ich nur auf mich achte, wenn ich einen Schub habe? Leichtes Kopfnicken. Solche Sachen nerven. Aber sie verletzen mich nicht. Wie könntest du mich mit etwas verletzen, mit dem ich (größtenteils) im Reinen bin? Ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, was ich habe. Weißt du es? Wie viel bist du bereit, über deine tiefsten Abgründe preiszugeben? Wie sehr stehst du zu dem, was du bist?

Aus diesen beiden Gründen fühle ich mich stark durch meine Dämonen. Zum einen kann ich ziemlich gut auf mich selbst aufpassen und zum anderen weiß ich einfach, wer ich bin. Ich bin einfühlsam und liebevoll, weil ich weiß, wie es ist, genau das nicht zu haben. Ich bin ehrlich, weil Unehrlichkeit uns nicht weiterbringt. Ich höre zu, weil ich mir das selbst wünsche. Ich habe eine unendliche Anzahl an positiven Eigenschaften, weil mir passiert ist, was passiert ist, und weil ich darauf reagiert habe, wie ich es habe. Die Störungen nerven und oft genug fesseln sie mich ans Bett, an die Couch (klingt irgendwie erotischer, als es ist) und an meinen eigenen Grübelbrei im Kopf. Sie haben mich aber auch stark gemacht.

Ohne meine Probleme wäre ich nicht der wundervolle Mensch, der ich bin. Das klingt brutal, ist aber so. Der Mensch besteht nicht nur aus seinen positiven Einhornerlebnissen, sondern vor allem aus den Erfahrungen aus schlechten Zeiten. Sie prägen uns. Sie machen uns stark. Sie machen uns zu dem, was wir sind. Und wenn wir das verstanden haben, kann sie niemand gegen uns einsetzen.

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