Alpträume, Flashbacks, Dissoziationen

 Was ist eine PTBS?

Die Posttraumatische Belastungsstörung (im Englischen PTSD – Posttraumatic Stress Disorder) ist eine Reaktion auf einmalige oder länger andauernde traumatische Ereignisse, die selbst erlebt oder auch nur beobachtet werden. Einmalige Ereignisse wären zum Beispiel Terroranschläge, Unfälle oder der Tod eines nahen Angehörigen. Unter die Kategorie „Länger andauernd“ fällt unter anderem körperlicher, sexueller oder emotionaler Missbrauch. Bei diesen Fällen ist es mit zunehmender Zeit immer wahrscheinlicher, eine PTBS zu entwickeln. Diese Situationen sind verbunden mit tatsächlichem oder drohendem Tod, einer ernsthaften Verletzung oder einer Gefahr für die eigene oder fremde körperliche Unversehrtheit. Außerdem gehen sie einher mit extremer Angst und dem Gefühl, keine Kontrolle über die Situation zu haben. Das Selbstwirksamkeitsempfinden sinkt also auf Null. Die PTBS entsteht als verzögerte Konsequenz und tritt meist bis zu einem Jahr nach dem jeweiligen Ereignis auf.

 

Wie entsteht eine PTBS?

Wie oben beschrieben ist die Posttraumatische Belastungsstörung eine Reaktion auf traumatische Ereignisse. Diese sind so überfordernd, dass sie kognitiv nicht richtig verarbeitet werden können. Manchmal drängt auch der Betroffene alle aufkommenden Gedanken zu dem Trauma beiseite, weil sie schlicht überwältigend wären. Durch das traumatisierende Ereignis wird das Vertrauen in die Welt tief erschüttert. Gerade, wenn der Betroffene nach dem Trauma niemanden zum Reden hat, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Belastungsreaktion.

 

Was für Symptome treten auf?

Es gibt eine Reihe von Symptomen, die typisch für eine PTBS sind. Dabei müssen logischerweise nicht alle gleichzeitig und ich ähnlicher Intensität auftauchen. Es gibt so viele Traumatisierungen, wie es Traumatisierte gibt. Bei jedem Betroffenen taucht die PTBS also anders auf.

Viele Symptome lassen sich vor dem Hintergrund erklären, dass das Gehirn versucht, das Trauma zu verarbeiten. Sowohl Flashbacks (also das Wiedererleben des Ereignisses), als auch Albträume können dadurch mehr oder weniger gut erklärt werden. Auch eine emotionale Abstumpfung, das Gefühl von Betäubtsein, Freud- und Teilnahmslosigkeit oder die Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen können auftauchen. Typisch ist auch die Vermeidung von Situationen, Aktivitäten oder Personen, die mit dem Trauma in Verbindung gebracht werden. Das kann sich so weit steigern, dass der Betroffene nicht mehr die eigenen vier Wände verlässt. Oft wird das Ganze ergänzt durch eine dauerhafte Übererregtheit, Schreckhaftigkeit oder Ein-/Durchschlafstörungen. Durch länger andauernde traumatische Ereignisse kann es auch zu Dissoziationen kommen. Folge einer PTBS können Angststörungen oder Depressionen bis hin zur Suizidalität sein.

 

Was ist ein Flashback?

Ein Flashback ist eigentlich ein Wiedererleben der traumatisierenden Situation. Es ist also mehr oder weniger ein 4D-Kino mit VR-Brille. Dabei wird oft unterschätzt, dass Flashbacks nicht nur visueller Natur sind. Gefühle, Gerüche, Geräusche, Berührungen, Körpersensationen, das alles gehört für viele dazu. Manchmal sind Flashbacks nur auf einen Bereich beschränkt, oft aber betreffen sie mehrere. Das Schlimme am Flashback ist, dass man sich wirklich so fühlt, als durchlebe man das Trauma noch einmal, inklusive dem Gefühl von Hilflosigkeit und tiefster Verzweiflung. Ein Flashback zu unterbrechen ist gar nicht so einfach und von Betroffenem zu Betroffenem unterschiedlich. Im Großen und Ganzen geht es darum, die Person wieder in die Realität zurückzuholen. In ihrem Kopf befindet sie sich nämlich gegebenenfalls im Jahr 1998, 500 km vom eigentlichen Aufenthaltsort entfernt. Bei mir hilft es, wenn mir jemand die Hand auf das Knie legt. Versucht das aber besser nicht bei jemandem, der sexuell missbraucht wurde. Wie gesagt, das ist extrem unterschiedlich. Auch hilft das Ansprechen und Verweisen auf die Realität. „Wo bist du gerade?“ – „Welche Farbe hat der Blumentopf da drüben?“ – „Wie ist mein Name?“

 

Was ist eine Dissoziation?

Zwei Worte: Nicht lustig. Dissoziationen betreffen die bewusste Wahrnehmung. Diese wird dabei unterschiedlich stark ausgeschaltet. Der Betroffene weiß nicht, wo er sich befindet, wie viel Zeit vergeht, manchmal sieht oder hört er nichts mehr. Auf Ansprechen reagiert er gegebenenfalls gar nicht. Dissoziationen sind so unterschiedlich wie die, welche sie haben. Deswegen beschreibe ich hier im Folgenden meine.

Bei mir folgt die Dissoziation immer auf einen Trigger (also einen Auslöser, den ich meist unbewusst mit dem traumatischen Ereignis verbinde). Dabei ist die Dissoziation in drei Teile geteilt. Teil Eins beginnt mit körperlicher Anspannung bis hin zu Krämpfen und einer laut schreienden Stimme in meinem Kopf. Stellt euch einfach bei einem Horrorfilm eine hysterisch kreischende Frau vor. So klingt das. Teil Zwei ist dann die Dissoziation selbst. Mein Blickfeld verengt sich und wird zunehmend schwarz. Dabei fixieren sich meine Augen auf einen Punkt oder Gegenstand (Armbanduhr, Raufasertapete, Fingernagel, …). Meine Ohren werden taub, alles klingt, als würde es durch Watte gesprochen werden. Mir ist alles egal. Es ist eigentlich das pure Gefühl absoluter Teilnahmslosigkeit. Teil Drei ist dann das Erwachen. Das fühlt sich besonders brutal an, denn erst hier wird mir bewusst, was eigentlich passiert ist. Orientierungslosigkeit und Erschöpfung treten auf. Meistens gehe ich direkt im Anschluss schlafen. Mein ganzer Körper ist durch die Anspannung ein einziger müder Schmerz.

 

Wie kann man eine Dissoziation erkennen?

Das scheint relativ einfach zu sein (zumindest bei mir). Man kann die Teilnahmslosigkeit eigentlich gar nicht übersehen. Wenn die Person gegenüber nur noch einsilbig oder gar nicht mehr antwortet, dabei an die Wand starrt und nicht mehr blinzelt, kannst du dir ziemlich sicher sein, dass sie gerade dissoziiert. Was aber tun? Das muss leider jeder Betroffene für sich selbst herausfinden. Auch hier ist es aber wichtig, einen Bezug zur Realität herzustellen. Bei mir hilft es, wenn man mir eine Hand sanft auf das Knie legt. Fragen zur Gegenwart stellen klappt allerdings nur in Phase 1, also wo ich noch einigermaßen irgendwas mitbekomme. Auch Ansprechen bekomme ich logischerweise in der akuten Dissoziation gar nicht mit.

 

Die 5-4-3-2-1-Übung

Hilft in Phase 1. Wenn ich also mitbekomme, dass ich gerade kurz vor einer Dissoziation stehe, versuche ich sie so lange, bis es mir besser geht. Dabei ist sie so simpel wie genial. Im Kern dreht sie sich um die Realität um einen herum. Die Übung ist wie folgt aufgebaut:

  • 5 Dinge, die ich sehe (Tür, Wand, Fußboden, Armbanduhr, mein Bein)
  • 5 Dinge, die ich höre (meine Stimme, meinen Atem, Wind, Klappern, Telefon)
  • 5 Dinge, die ich fühle (Stuhl, Kleidung, Haare, Fußboden, Rückenschmerz)
  • 4 Dinge, die ich sehe
  • 4 Dinge, die ich höre
  • 4 Dinge, die ich fühle
  • 3 Dinge, die ich sehe
  • 3 Dinge, die ich höre
  • 3 Dinge, die ich fühle
  • ...

Wenn es nach der ersten Runde noch nicht besser ist, fange ich wieder von vorne an und das so lange, bis ich mir sicher bin, dass ich nicht mehr dissoziieren werde. Wenn einem keine fünf Dinge einfallen, die man gerade fühlt (gerade in akuten Situationen ist das gar nicht so einfach), kann man auch einfach welche wiederholen. Wichtig ist die Konzentration auf das bewusste Erleben, das man gerade zu verlieren droht. Die Übung ist anstrengend, lohnt sich aber.

 

Wie kann man eine PTBS therapieren?

Klar sollte sein, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht wieder von selbst verschwindet. Das ist bei manifestierten psychischen Störungen nie der Fall. Am Anfang einer Therapie steht natürlich die Diagnostik. Das heißt, es wird geschaut, welche Symptome individuell in welcher Intensität auftreten. Danach folgt meist erst einmal die Stabilisierung. Man lernt also Übungen wie die 5-4-3-2-1 oder den „Inneren Sicheren Ort“ kennen. Gerade der Wiederaufbau von Selbstwirksamkeitsgefühl und einem Erleben von Sicherheit sind entscheidend in der Therapie. Erst dann folgt die eigentliche Aufarbeitung des Traumas. Hier ist vor allem das geschützte Umfeld von elementarer Bedeutung. Eine der typischen Behandlungsstrategien für eine PTBS ist das Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR). Keine Sorge, der Patient muss das nicht aussprechen können. Hierbei soll während der Erinnerung an das traumatische Ereignis durch schnelle Augenbewegungen nach links und rechts abwechselnd beide Gehirnhälften aktiviert werden. Dadurch wird die kognitive Verarbeitung des Traumas erleichtert. Auch wichtig für die Therapie ist natürlich das Wiedererlangen eines einigermaßen normalen Alltags. Dafür werden zum Beispiel das Vermeidungsverhalten oder Schlafprobleme bearbeitet. Es gibt eine Vielzahl traumatherapeutischer Ansätze. Am besten ist es natürlich, sich einen auf diese Störung spezialisierten Therapeuten zu suchen.

 

Was will mir der Artikel jetzt sagen?

Eine Posttraumatische Belastungsstörung muss auf jeden Fall ernst genommen und behandelt werden. Sie ist eine natürliche Reaktion auf ein kurz oder länger andauerndes Ereignis, bei dem man extreme Angst und Kontrollverlust durchlebt, mit dem eigenen Tod (oder dem einer anderen Person), massiver Verletzung oder drohendem Verlust der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit konfrontiert wird. Eine PTBS ist kein Zeichen von Schwäche. Typische Symptome für diese Störung sind Flashbacks, Albträume, Dissoziationen, extreme Schreckhaftigkeit, Ein- oder Durchschlafstörungen, Vermeidungsverhalten, Gleichgültigkeit oder auch emotionale Abstumpfung. Dabei müssen nicht alle Symptome in gleicher Intensität auftreten. Als Folge einer PTBS können Angststörungen, Depressionen oder Suizidalität entwickelt werden. Wichtig ist also eine baldige und angemessene Therapie, um wieder einigermaßen (bis hin zu absolut) normal leben zu können.

 

Quellen und weitere Informationen

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