"Mit Ihnen kann man nicht arbeiten!"

Gleich zu Beginn dieses Eintrags möchte ich betonen, dass die meisten Psychotherapeuten und Psychiater großartig sind und täglich einer Vielzahl von Menschen ehrlich helfen können. Teilweise retten sie Leben.

Manche sind aber nicht so gut. Sie helfen dem Patienten entweder gar nicht weiter, oder schaden diesem sogar. Wie verletzend und schlimm diese einzelnen Schicksale sind, bleibt meistens im Verborgenen. Denn die Betroffenen trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Zu unwirklich scheint die Situation gewesen zu sein oder einfach nicht „dramatisch“ genug. Man redet sich selbst klein, indem man denkt, der Therapeut habe ja nur einen schlechten Tag gehabt oder insgeheim habe er sogar Recht mit dem, was er sagt oder tut.

Vor vier Tagen startete ich auf Twitter den Hashtag "#psychoidiotie". Mir war nicht klar, welche Dimension das annehmen würde. Ich hatte so eine Wut in meinem Bauch, einen tief versteckten Zorn über zwei Behandler, bei denen ich leider einmal gewesen war. Ich wollte dieser Wut, dieser Ohnmacht einen Raum bieten. Wie so oft war eben Twitter meine Wahl. Also postete ich. Postete all die schlimmen, zutiefst verletzenden Sätze, die ich von diesen beiden Therapeuten hören musste. Es kam eine Liste zusammen, die mir erschreckend lang vorkam.

Was mich allerdings noch mehr schockierte, waren die Beiträge anderer Twitternutzer. Offensichtlich hatte ich bei vielen einen Nerv getroffen. Genau denselben Nerv, der bei mir seit Jahren dumpf schmerzte. Bei den meisten dieser Beiträge fehlten mir schlicht die Worte. Da wurden von Therapeuten Suizide verharmlost, Patienten gedemütigt oder offenes Victim Blaming gezeigt (darunter versteht man das Phänomen, dass dem Opfer die Schuld an der Tat gegeben wird). Aus Respekt vor dem Personenschutz und Urheberrecht teile ich an dieser Stelle keine Beiträge von anderen Nutzern. Wer sich dafür interessiert, kann auf Twitter einfach nach dem Hashtag #psychoidiotie suchen.

Therapeuten können helfen. Sie können Leben retten, Tagen wieder einen Sinn geben und Halt bieten. Sie haben aber auch eine unglaubliche Macht über ihre Patienten. Was sie sagen, wird häufig mehr oder weniger ungefiltert übernommen, denn sie sind ja die Experten, die alles über die Psyche wissen. Wenn ein Psychiater dir sagt, dass du selbst schuld daran bist, dass du keine Freunde hast, dann glaubst du das. Du integrierst diesen Satz in dein Bewusstsein, dein Gedächtnis und im schlimmsten Fall deine Identität.

Therapeuten müssen sich über diese Macht bewusst sein. Sie dürfen sie zum einen nicht missbrauchen. Zum anderen sollen sie diese Autorität aber auch nicht herunterspielen. Natürlich haben Therapeuten auch mal einen schlechten Tag, tierische Kopfschmerzen oder Stress. Sie sind Menschen, also verhalten sie sich auch menschlich. Dem Patienten muss aber jederzeit ein Gesprächsrahmen geboten werden, in dem er Dinge, die ihn verletzen oder verunsichern, ansprechen kann.

Blöde Worte fallen. Blöde Worte können aufgehoben und besprochen werden. Hier ist der eklatante Unterschied zwischen guten und schlechten Therapeuten. Mit guten kann man diese Situationen besprechen. Man kann sie klären. Möglicherweise hört man sogar eine Entschuldigung. Das kann eine Therapie enorm nach vorne bringen, denn der Patient kann mutig sein. Ihm wird gezeigt, dass er als eigenständige, würdevolle Person angesehen wird. Dass sie wichtig ist.

Schlechte Therapeuten negieren. Sie machen dem Patienten Vorwürfe, bezichtigen ihn der Lüge oder sprechen weitere Beleidigungen aus. Oder sie werfen ihren Schutzbefohlenen ohne weitere Worte aus der Praxis. Wenn sich dein Therapeut so verhält, hast du nur eine Möglichkeit: Lauf. Lauf so schnell du kannst. Beschwere dich über ihn, bei Freunden, Familienangehörigen oder bei der Psychotherapeutenkammer. Dorthin kann man jederzeit eine formlose, schriftliche Beschwerde über einen Behandler senden. Denn ein Therapeut hat dem Patienten gegenüber Pflichten. Werden diese verletzt, kann eine Beschwerde helfen. Nicht nur dir, sondern auch allen nachfolgenden Patienten, die gegebenenfalls auch unter diesem Behandler leiden.

Was du nicht machen solltest, was du niemals machen solltest, ist schweigen. Schluck es nicht runter, rede es nicht klein, denn das ist es nicht. Steh zu dir selbst, vertraue deinem Bauchgefühl und lass dir nichts gefallen.

Das klingt leicht. Ist es in der Praxis aber nicht. Man bleibt doch noch ein bisschen länger bei dem Therapeuten, der einem offensichtlich nicht helfen kann. Denn Wartelisten anderer Therapeuten sind lang. Von ihnen gibt es nach wie vor viel zu wenig. Man hat sechs Monate auf diesen Termin gewartet, jetzt kann man doch nicht gleich wieder abbrechen, oder? Dann würde ja wieder ein halbes Jahr verstreichen, bevor man bei einem anderen Therapeuten vorstellig werden darf.

Diese beiden Probleme sind ganz real, wenn man über schädliche Behandler spricht: Zum einen ist man einfach froh, irgendwo untergekommen zu sein, zum anderen werden diese verletzenden Aussagen vonseiten des Therapeuten heruntergespielt. Beides führt dazu, dass Therapien länger ausgehalten werden, als sie sinnvoll sind. Dem Patienten wird also gar nicht geholfen, im schlimmsten Fall geht er kränker heraus, als er hereingegangen ist. Die logische Folge ist der Verlust des Vertrauens in den Berufsstand der Psychotherapeuten oder Psychiater als Ganzes.

Was also tun? Schädliche Therapeuten sollten besser kontrolliert und gegebenenfalls überprüft werden. Patienten sollte das Gefühl gegeben werden, dass ihre Beschwerden ernstgenommen werden. Das ist Aufgabe der Psychotherapeutenkammern. Andererseits sollten auch einfach mehr Therapeuten in Deutschland praktizieren dürfen. Dann wäre ein Wechsel von einem schlechten zu einem guten Therapeuten einfacher und der Schritt naheliegender. 

 

Was aber sind Warnzeichen dafür, dass ein Therapeut für seinen Beruf ungeeignet ist?

  1. Er nimmt dich nicht ernst. Gesprächsansätze oder Kritik von deiner Seite aus werden kleingeredet oder führen sogar zu weiteren Vorwürfen. Der Therapeut macht klar, dass die Macht über die Behandlung in seinen Händen liegt.
  2. Er kann sein Vorgehen nicht erklären. Auf Nachfragen reagiert er ungehalten oder vorwurfsvoll. Er sieht seinen Weg als den einzig wahren und lässt Kritik daran nicht zu.
  3. Er redet nur über sich. Sein Wochenende ist ihm wichtiger als deins, seine Familiengeschichte viel spannender als dein erlebter Missbrauch. Bei jedem Satz deinerseits unterbricht er dich mit: "Meine Kinder sind ja ..."
  4. Er hat kein Gefühl für Timing. Schlimme Erlebnisse werden in den absolut falschen Momenten angesprochen, Konfrontation passiert vor Stabilisierung. Oder sie passiert gar nicht, weil der Therapeut keine Spannungen zulassen möchte. Auf Offenbarungen von dir reagiert er mit: "Das ist doch grade gar nicht wichtig."
  5. Er hat sich selbst nicht unter Kontrolle. Seinen Gefühlen lässt er freien Lauf, gerne auch mal auf aggressive Art. Schuld daran bist natürlich du, weil du ihn dazu "getrieben" hast. Gerne droht er auch mal.

 

Wenn dir bei deinem Therapeuten eines oder sogar mehrere dieser Warnsignale auffallen, solltest du sobald als möglich das Therpieverhältnis beenden. Denn auf diese Art und Weise kann er dir nicht helfen. Im schlimmsten Fall geht es dir nach den Sitzungen deutlich schlechter als zuvor. Du möchtest ihm eigentlich gar nichts mehr anvertrauen? Dann tu es auch nicht. Er hat sich offenbar dein Vertrauen nicht erarbeitet. Vertrauen aber ist die Grundlage einer jeden Therapie.

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